Es war an einem kühlen Wintertag des Jahres 2003, als der künftige Rektor der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU), Alfred Pritz, und Jutta Fiegl als seine Vertreterin dem Vorstand des Österreichischen Vereins für Individualpsychologie (ÖVIP) einen Besuch abstatteten, um eine mögliche Kooperation zwischen der SFU und dem ÖVIP auszuloten. Der Verein reagierte zwar ablehnend, aber zwei Mitglieder des ÖVIP, Dorothea Oberegelsbacher und Bernd Rieken, sahen in einer Kooperation eine Chance, die Akademisierung der Psychotherapie zu fördern, und nahmen Kontakt mit Pritz und Fiegl auf. Es wurde rasch Einigkeit erreicht, und im Jahre 2006 konnte erstmals ein Wahlpflichtfach Individualpsychologie als akademisches Pendant zum Fachspezifikum mit 13 Studierenden starten. Da der ÖVIP eine Kooperation weiterhin ablehnte, reichte das Leitungsteam der Individualpsychologie, dem mittlerweile auch Brigitte Sindelar und Thomas Stephenson angehörten, im Jahre 2008 einen Antrag auf ein eigenes Fachspezifikum ein, das mit Beschluss des Psychotherapiebeirats vom 13.12.2011 bewilligt worden ist. Seither existieren in Österreich zwei individualpsychologische Fachspezifika, wobei die Individualpsychologie an der SFU einen großen Zulauf verzeichnet.
Durch die Anerkennung der Individualpsychologie wurde die SFU zu einer fachspezifischen Ausbildungsstätte, was mannigfache Vorteile vor allem für die Studierenden bzw. die Ausbildungskandidatinnen und -kandidaten der Individualpsychologie bietet. Sie bekommen neben der fachspezifischen Ausbildung nämlich gleichzeitig ein akademisches Studium, sind aber nicht, wie die anderen Wahlpflichtfächer an der SFU, auf Kooperationen mit fachspezifischen Ausbildungsvereinen angewiesen, sondern erhalten beides aus einer Hand.
Dass die Akademisierung der Psychotherapie fruchtbar ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die einzigen neuen Publikationen zur Individualpsychologie anlässlich des 100-jährigen Bestehens derselben im Jahre 2011 im Rahmen der SFU entstanden sind, nämlich ein im Springer Verlag erschienenes Lehrbuch („Psychoanalytische Individualpsychologie in Theorie und Praxis“) sowie ein Sammelband, an dem Studierende und Lehrende der SFU beteiligt waren („Alfred Adler heute“) und welcher den Auftakt zu einer neuen psychotherapiewissenschaftlichen Buchreihe bildet, die den Titel „Psychotherapiewissenschaft in Forschung, Profession und Kultur“ trägt.
